Nominatoren
Tina O`Connell und Neal White, London, UK, Künstler und Dozenten
Franz Hoenjet, Kurator am Museum Helmond, Niederlande
Werner Meyer, Direktor der Kunsthalle Göppingen
Andrea Ostermeyer, Mannheim, Künstlerin und Dozentin
Axel Lieber, Malmö, Künstler und Dozent
Künstlerischer Beirat des Bildhauersymposions Heidenheim
Jury
Prof. Dr. Wulf Herzogenrath, Berlin,
ehemaliger Direktor der Kunsthalle Bremen
Dr. Ulrike Groos, Direktorin des Kunstmuseums Stuttgart
Dr. René Hirner, Direktor des Kunstmuseums Heidenheim
Verein
Vorsitzende: Gabriele Rogowski
Vorstand: Dr. Hubert Lienhard, Klaus Moser, Uli Schmid, Dieter Steck
Künstlerischer Beirat: Dr. René Hirner, Friedemann Blum, Berni Fetzer, Beate Gabriel, Franklin Pühn
Technischer Ausschuss: Wilfried Wörner, Thomas M. Ille, Ulrich Wittmann
Presse: Norbert Pfisterer
Preisträger
Fritz Balthaus, Berlin
Carl Boutard Malmö, Sweden
Rita Rohlfing, Köln
Stefan Rohrer, Stuttgart
Ina Weber, Berlin
Stefan Wissel, Düsseldorf
Firmen
Effekt Werke GmbH
Landratsamt Heidenheim Fachbereich Wald
Landesbetrieb Forst B-W
Uwe Maier Holzbau GmbH
Voith GmbH
Essinger Wohnbau GmbH
Robert Smejkal
Franz Rieger Metallveredlung
Heidenheimer Verkehrsgesellschaft mbH
Fritz Balthaus
use
Effekt Werke GmbH
Den Preis für ein Lichtprojekt hat der Berliner Künstler Fritz Balthaus mit einem Vorschlag gewonnen, der durch seine formale, spezifisch örtliche und inhaltliche Präzision besticht. Für das Heidenheimer Kunstmuseum schlägt er eine Leuchtschrift vor, die in ihren Dimensionen perfekt auf die niedrigen Dachflächen des Jugendstilgebäudes passt. Links vom Eingangsportal des Gebäudes ist das Wort „kunst“ zu lesen, rechts um die Ecke, gleich nach der historischen Balustrade steht das Wort „museum“.
Das Kunstmuseum Heidenheim bekommt damit eine Leuchtreklame, die von der Museumsleitung schon lange gewünscht wurde, bisher aber aus zwei Gründen scheiterte: 1. am notorisch knappen Budget des Museums und 2. am Denkmalschutz, der eine solch auffällige Reklame nicht genehmigen würde, weil sie die historische Fassade signifikant verfremdet.
Beide Probleme löst das Projekt von Fritz Balthaus quasi nebenbei. Denn nun übernehmen die Firma Richter Lighting Technologies und das Bildhauersymposion die Kosten, und als Kunstwerk unterliegt diese Leuchtschrift nicht der Genehmigungspflicht durch das Denkmalamt.
Doch nicht nur aus diesen Gründen passt das Projekt von Fritz Balthaus präzise für das Kunstmuseum. Vielmehr baut der Künstler auch noch einen künstlichen Wackelkontakt in die Leuchtschrift ein, der dazu führt, dass die Buchstabenfolge „u - s - e“ in dem Wort „museum“ ständig flackert. Unschwer erkennt man in dieser vermeintlichen Fehlfunktion das englische Wort „use“, also das Substantiv „Gebrauch“ bzw. die verbale Aufforderung „Gebrauche!“. Damit weist Fritz Balthaus auf eine zentrale Funktion jedes Museums als Institution hin. Denn Museen dienen vornehmlich zur Bewahrung und Präsentation gesellschaftlich wertvoller Artefakte und diese sollen, ja, müssen von der Öffentlichkeit gebraucht, d.h. also angeschaut und verstanden werden.
Denkt man näher über den Gebrauch von Museen durch Kuratoren, Künstler, Sammler, Politiker, Populisten, Touristen usw. nach, dann eröffnet sich darüber ein breites Assoziationsfeld zum Verhältnis von Museum und Gesellschaft, das an dieser Stelle jedoch nicht näher betrachtet werden kann. Festzuhalten bleibt: Die an sich einfache Lichtinstallation von Fritz Balthaus überzeugt nicht nur durch ihre formale, örtliche und inhaltliche Genauigkeit, sondern auch durch ihren Assoziationsreichtum.
Carl Boutard
untitled
Landratsamt Heidenheim Fachbereich Wald
Landesbetrieb Forst B-W
Uwe Maier Holzbau GmbH
Wie Rita Rohlfings reflection wird auch die Holz-Skulptur des schwedischen Künstlers Carl Boutard auf dem Schlosspark platziert. Als Aufstellungsort – oder besser als Aufhängungsort – benötigt sie einen großen, möglichst frei stehenden Baum.
Carl Boutard, der Preisträger für den Arbeitsplatz Forst, hat eine bestechende Grundidee entwickelt. Ausgehend von seinem Arbeitsmaterial Holz in dessen ursprünglichster Form - also dem Stamm bzw. dem Ast - entwickelt er aus entrindetem Holz mit einem Durchmesser von 20 – 39 cm eine abstrakte Skulptur. Hierzu werden die Äste in einzelne Segmente mit einer Länge von ca. 30 – 70 cm zerlegt und durch Metallverbindungen, wie sie von Zimmerleuten und Schreinern benutzt werden, zu einer organoid-verschlungenen Form zusammengefügt, die am Ende eine in sich geschlossene Schleife bildet. Offenkundig handelt es sich auch hier um eine abstrakte, autonome Plastik, die jedoch auf ihr Ausgangsmaterial, den Baum, auf vielfältige Weise Bezug nimmt: 1. in der groben, naturnahen Oberflächengestaltung; 2. dem quasi organischen Wachstum der Segmente und 3. schließlich im Auf-hängungsort selbst: einer Baumkrone.
In der Gegenwartskunst gibt es unzählige Künstlerinnen und Künstler, die sich mit dem Zusammenhang von Kunst und Natur beschäftigen. Allerdings sind die wenigsten Werke überzeugend, denn viele imitieren einfach die Natur oder Naturprozesse und ignorieren damit die grundlegende Differenz zwischen Kunst und Natur. Denn Kunst heißt deshalb Kunst, weil sie etwas Künstliches, vom Menschen Gemachtes ist und daher niemals mit Natur identisch sein kann. Genau diese Differenz zwischen der Natur-Realie Baum und der Kunst, die von uns Menschen gemacht wird, ebnet Carl Boutard mit seiner Holzskulptur nicht ein. Sie zeigt zwar, dass sie aus einem Baumstamm entstanden ist und sie imitiert offenbar auch pflanzliche Wachstumsformen, aber sie erscheint selbst nicht als Naturform. Vielmehr schafft der Malmöer Künstler eine eigene künstlerische Realität parallel zur Natur. Diese Formulierung erinnert nicht zufällig an Paul Cézanne, dessen Diktum lautete: Kunst ist eine Harmonie parallel zur Natur. Damit schloss Cézanne bewusst aus, dass es die Aufgabe der modernen Kunst sein könne, die Natur einfach – abbildhaft oder prozessual - zu imitieren.
Rita Rohlfing
reflections
Voith GmbH
Während Ina Weber mit ihrem „Fahrradständer“ unsere gebaute Umwelt analysiert, ignoriert Rita Rohlfing mit ihrer Skulptur „reflections“ die Eigenarten des öffentlichen Raums vollkommen. Sie schlägt eine Skulptur vor, die aus nichts anderem als aus großen, intensiv leuchtenden Farbfeldern besteht. Mehrere jeweils etwa 2 x 4 Meter große Edelstahlplatten sind die Träger dieser Farbfelder. Sie werden schräg zueinander gesetzt, so dass die jeweils spiegelnde Rückseite einer Platte das Farbfeld der dahinter aufgestellten Platte reflektiert. Mitten in den öffentlichen Raum setzt die Künstlerin also abstrakte und vollkommen autonome Farbflächen, die vom Betrachter nichts weniger verlangen, als sich auf die monochromen Farbwirkungen einzulassen.
Ihren Reiz gewinnt diese selbstbewusste künstlerische Setzung einerseits durch die mutige Geste, den öffentlichen Raum mit Farbfeldmalerei einfach zu besetzen, andererseits dadurch, dass die spiegelnden Rückseiten der Farbplatten - je nach Lichtverhältnissen und Betrachterstandpunkt - die Farbflächen und den Umraum in verschiedener Weise reflektieren.
Wie dieses radikal autonome Kunstwerk außerhalb des Schutzraums eines Museums bestehen kann, wird sich zeigen müssen. Denn die Farbfelder verlangen einen respektvollen Umgang, der im öffentlichen Raum häufig nicht gegeben ist. Andererseits kann man immer wieder erleben, dass bestimmte Kunstwerke von Vandalismus verschont bleiben.
Angesichts der Tatsache, dass die neue Bebauung des Schlossbergs mit Hugo-Rupf-Platz, Hotel und Congress Centrum bisher ohne jede künstlerische Gestaltung geblieben ist, schlägt die Jury den bisher ungestalteten Raum zwischen Hotel und Schloss als Aufstellungsort für die Skulptur von Rita Rohlfing vor.
Stefan Rohrer
Vespa
Franz Rieger Metallveredlung
Robert Smejkal
Nicht die Natur, sondern unsere alltägliche Lebenswelt, die ohne Technik gar nicht mehr funktionieren würde, ist das Thema von Stefan Rohrer, dem Preisträger für den Arbeitsplatz Blech bei den Firmen Smejkal und Rieger.
Als Stuttgarter Künstler beschäftigt er sich mit einem Phänomen, für das unsere Landeshauptstadt weltweit steht: den Bau von Automobilen und die Faszination, die von teueren und schnellen Fahrzeugen ausgeht. Für sein Projekt hat er jedoch keinen prestigeträchtigen Mercedes oder Porsche gewählt, sondern eine vergleichsweise preiswerte Vespa. Aber gerade dieser kurz nach dem 2. Weltkrieg erfundene Motorroller steht mit seiner eleganten Form und seiner berühmten Wespentaille für eine bequeme und unaufgeregte Form der individuellen Fortbewegung im städtischen Raum, jenseits der Hightech-Verbissenheit deutscher Ingenieurskunst.
Da das Zweiradfahren auch die gefährlichste Form der individuellen Mobilität darstellt, wirkt die Vespa von Stefan Rohrer, die sich um einen umgeknickten Laternenmast wickelt, wie ein Monument der Gefahren, die im Verkehr lauern.
Ein echtes Gefühl von Tragik stellt sich bei der Betrachtung seiner Skulptur jedoch nicht ein. Hierzu schrauben sich die unendliche verlängerte Wespentaille, das Rad und der Lenker viel zu elegant und beschwingt um den Laternenmast. Offenkundig handelt es sich bei dieser Plastik weniger um ein Mahnmal, das vor den Gefahren der Mobilität warnt, als vielmehr um einen entspannt-ironischen Kommentar zur „Freude am Fahren“ und zum „Vorsprung durch Technik“.
Ina Weber
Fahrradständer
Voith GmbH
Ina Weber befasst sich in ihrem Werk „Fahrradständer“ mit profanen Gebäudeelementen und Kleingebäuden, die man zwar überall findet, denen man jedoch in der Regel keine Aufmerksamkeit schenkt, obwohl sie notwendige Bestandteile von Gebäuden sind: Gemeint sind Strom- und Schaltkästen, Umspannstationen, Lüftungskästen, Luken, Revisionsöffnungen, Lüftungsgitter, Notausgänge usw.
Diese überall vorhandenen, aber möglichst unsichtbaren Architekturelemente fasst die Künstlerin in einer L-förmigen Gebäudestruktur zusammen, die aus Lochblechen, Gittern, Luken, Lüftungsschlitzen besteht und von vorne wie eine minimalistische, quaderförmige Skulptur wirkt. Betrachtet man diese dunkle Quaderform jedoch von hinten, dann sieht man eine offene und beleuchtete Halle, die Platz zum Unterstellen von Fahrrädern bietet. Der „Fahrradständer“ vereinigt somit zwei entgegengesetzte Seiten jeder Architektur: Eine offene und repräsentative Schauseite, welche die Funktion des Gebäudes zeigt und zur Benutzung einlädt – in diesem Falle also der überdachte Fahrradabstellplatz - und eine verschlossene und versteckte Seite, die all jene funktionalen Bauelemente enthält, die man zum Betrieb eines Gebäudes braucht. Diese oft übersehene Dichotomie jedes Gebäudes thematisiert Ina Weber, indem sie im „Fahrradständer“ das gemeinhin Versteckte aufwertet und zur Schauseite ihres Gebäudes macht und das üblicherweise Sichtbare im Innern dieses Gebäudes verbirgt.
Stefan Wissel
Schwärmer
Heidenheimer Verkehrsgesellschaft mbH
Einen für traditionelle Bildhauer schwierigen Arbeitsplatz stellt der Öffentliche Nahverkehr in Form des Bussystems der Heidenheimer Verkehrsgesellschaft dar. So wurden für diesen Arbeitsplatz vornehmlich konzeptuelle Projekte vorgeschlagen, die auf unterschiedliche Weise die Bedeutung des öffentlichen Nahverkehrs in unserem Leben thematisieren. Das Spektrum reichte von einer Recherche über verlorene Gegenstände in Bussen bis hin zu der Idee, die Picasso-Plakate des Kunstmuseums Heidenheim in den Linienbussen auf Rundreise zu schicken.
Aus diesen konzeptuellen Vorschlägen ragt Stefan Wissels Projekt heraus, weil es einen spezifisch konzeptuellen Ansatz mit einem sehr hohen Maß an visueller Präsenz verbindet. Die Grundidee des Projekts mit dem treffenden Titel „Schwärmer“ besteht darin, die realen Bewegungen der Busse in ein abstraktes Bewegungsbild zu übersetzen.
Zu diesem Zweck stattet der Düsseldorfer Künstler einzelne Busse verschiedener Linien mit GPS-Sendern bzw. Mobiltelefonen aus, die ihre Signale an einen Cloudserver senden. Dieser setzt die jeweiligen Positionen der Busse in unterschiedliche Farbpunkte um, die auf einen großen, am Gebäude der Zentralen Bus Haltestelle montierten Monitor übertragen werden. Die Bewegungen der Busse erscheinen auf der schwarzen Fläche des Bildschirms als sich bewegende Farbpunkte, die insgesamt an einen bunten Fliegenschwarm denken lassen. Damit findet Stefan Wissel für die Bewegungen des öffentlichen Nahverkehrs, der ja nur ein kleiner Teil aller Bewegungen im öffentlichen Raum ist, ein überzeugendes und zugleich abstraktes Bild, das einen Eindruck vom realen Lebensrhythmus in Heidenheim vermittelt.
In seinem Projekt führt uns Stefan Wissel vor Augen, dass der öffentliche Raum nicht nur als statischer Raum begriffen werden darf, sondern auch als Raum für ständige und vielfältige Bewegungen. Im Unterschied zu allen bisher realisierten Kunstwerken des Bildhauersymposions lässt er uns den öffentlichen Raum als Bewegungsraum wahrnehmen und verweist damit auf eine zentrale, bisher unbeachtete Dimension des Öffentlichen.