Nominatoren
Prof. Dr. Manfred Schneckenburger, Kunstakademie Münster
Joanna Kiliszek, Polnisches Institut, Leipzig
Lynda Morris, Norwich School of Art and Design, Norwich, England
Dóra Hegyi, Museum Ludwig, Budapest, Ungarn
Künstlerischer Beirat des Bildhauersymposions Heidenheim
Jury
Dr. Ulrike Gauss, Staatsgalerie Stuttgart
Dr. Marlene Lauter, Städtische Galerie, Würzburg
Dr. Ursula Zeller, Institut für Auslandsbeziehungen e.V., Stuttgart
Verein
Vorsitzender: Klaus Moser
Vorstand: Dr. Maximilian Eberle, Dr. René Hirner, Dr. Hermut Kormann, Hans von Schweinichen, Wilfried Wörner
Künstlerischer Beirat: Berni Fetzer, Franklin Pühn, Horst Pommerenke, Andrea Steinhilber
Preisträger
Inges Idee, Berlin
Thomas Klegin, Schwerte
Dragan Lovrinovic, Münster
Jürgen Stimpfig, Paris
János Sugár, Budapest
Firmen
Althammer GmbH & Co. KG
Carl Edelmann GmbH & Co. KG
J. M. Voith AG
Maier-Glas GmbH
ADITECH Flüssigkristallanzeigen GmbH
inges idee
Piercing
Althammer GmbH & Co. KG
An einer Ecke des Rathauses der Stadt Heidenheim/Brenz wird in Höhe des siebten Stocks ein großer Edelstahlring im Durchmesser von ca. 2,4 m montiert. Dieser durchbricht die Hauswand, um auf der anderen Seite der Hausecke wiederhervorzutreten, er sitzt quasi wie ein Ohrring im Haus. Dem eher rabiaten Eingriff in die Bausubstanz steht die stolze, ungewöhnliche Schmückung mit einem makellos gearbeiteten, polierten Edelstahlring gegenüber.
Die Verzierung unserer Körper ist heutzutage ein alltägliches und weitverbreitetes Phänomen. Tätowierung oder Piercing gehört mittlerweile zum täglichen Straßenbild. Entspricht die Tätowierung eher der Malerei auf dem Körper, so ist das Piercing als Perforation und Durchlöchern von Körpervolumina eindeutig ein bildhauerischer Akt. Dieser gewaltvolle / lustbetonte Akt, normalerweise am privaten Körper durchgeführt, wird von Inges Idee am architektonischen Baukörper im öffentlichen Raum vollzogen, in derselben Mischung aus Gewalttätigkeit und Dekoration, als identitätsstiftende, nach außen weisende Handlung.
Der bildhauerische Akt des Durchlöcherns, der Perforierung der trennenden Haut des Gebäudes verschiebt den intimen Akt des Körperschmückens in den Raum der bildenden Kunst. Der Ring weist sowohl nach außen (öffentlicher Raum) als auch nach innen (privater Raum) und vereint somit diese beide Sphären. Letztlich ist die konkrete Gleichsetzung von Körper, als Ort von Intimität, Lust, Privatheit und Exhibitionismus, und Bau-Körper ein Katalysator, der wesentliche Fragen von öffentlichem und privatem Bereich thematisiert.
Thomas Klegin
Im-Zwischen X In-Between
Carl Edelmann GmbH & Co. KG
Als "skulpturale Invasoren" bezeichnet Thomas Klegin seine beiden Skulpturengruppen, die er für Heidenheim geschaffen hat. Mit ihnen besetzt er "Unorte", die durch ihre Leere höchstens negativ auffallen. Die ästhetischen Formen seiner Skulpturen lenken bewusst den Blick auf diese Orte, die so neu wahrgenommen werden können.
Eine dreiteilige Gruppe steht im Stadtzentrum auf dem Friedrich-Degeler-Platz. Die einzelnen, je 3 m hohen Körper sind blockartig aufgestellt. Ihre Grundflächen bilden die verkleinerten Grundrisse der sie umgebenden Gebäude ab: ein Rathaus der 70er Jahre, sowie ein Altenzentrum und ein Geschäftshaus der 90er Jahre. Zwischen zwei Betonscheiben, sozusagen Fundament und Dach, sind einseitig bedruckte Kartonagen geschichtet, vergleichbar mit den Stockwerken eines Gebäudes. Die Kartonagen sind Überreste, die produktionsbedingt beim Druckprozess von Kartonverpackungen anfallen. Beim Stanzen der Grundrissformen ergibt sich an den Schnittkanten eine zufällige Farbstruktur, die an architektonische Gliederungen erinnert.
Die zweite Skulpturengruppe besteht aus 18 kleineren Körpern, die in die ehemaligen Pflanzkübel des Parkhauses in der Clichystraße gestellt sind. Wieder schichtet Thomas Klegin unzählige Kartonagen aufeinander, jedoch mit dem Unterschied, dass die Stanzform diesmal direkt aus dem Produktionsprozess heraus stammt.
Dragan Lovrinovic
Die große Rede
J. M. Voith AG
Bei der visuellen Kommunikation kommt dem Rednerpult - als Symbol der politischen und religiösen Machtdemonstration - eine große Bedeutung zu. Einerseits bietet es dem Redner Schutz, andererseits betont es die obere Körperhälfte, die für Mimik und Gestik zur Unterstützung der Rede wichtig ist. Besonders die mediale Inszenierung von Politik kommt kaum noch ohne ein Rednerpult aus. Je größer es ist und je mehr Mikrofone auf ihm stehen - also je aufwändiger die Inszenierung - desto größer ist meist die Differenz zum Inhalt der Rede.
Der Titel "Die große Rede" verweist auf die Rede selbst, er lässt den Redner in den Hintergrund treten. Gleichzeitig bietet er unterschiedliche Interpretationsmöglichkeiten: Ist er einfach nur ironisch gemeint, braucht es eine "geistige Größe", um hier eine Rede zu halten? Oder erinnert er an große Reden der Zeitgeschichte, so dass das Werk gleichzeitig Denkmal und Mahnmal ist?
Dieses überdimensionierte Rednerpult aus rostfreiem Edelstahl steht auf dem Hauptverbindungsweg zwischen Innenstadt und Bahnhof. Aus dem quadratischen Podest von 4 x 4 Metern ragt es 2,60 Meter in die Höhe. Die vielen poppig bunten Mikrofone mit ihrer "Verkabelung" ebenfalls aus Edelstahl sind schon von weitem sichtbar. Es erweckt den Anschein, als ob eine Ansprache kurz zuvor stattgefunden hat oder demnächst stattfinden wird. Einladend führen Treppen auf das Podest. Wer dieser Einladung jedoch folgt, hat es schwer eine Rede zu halten, da er im wahrsten Sinne des Wortes hinter dem Rednerpult steht und komplett von ihm verdeckt wird. Treppe und Geländer entsprechen handelsüblichen Normen, bei der Gestaltung von Pult und Mikrofonen greift Dragan Lovrinovc die Maßstabsvergrößerung der Pop Art auf.
Jürgen Stimpfig
passagère in vitro
Maier-Glas GmbH
Die plastische Qualität von Flachglas steht im Mittelpunkt des Werks von Jürgen Stimpfig. Er selbst spricht von "Interventionen" und "Störfällen", die er durch Sandstrahl-Technik in das Glas eingebracht hat. Bei diesem Verfahren wird ein geringer Teil des Glases abgetragen, so dass die behandelte Oberfläche eine matte weiße Struktur erhält: Das Glas ist also an den bearbeiteten Stellen nicht mehr transparent, sondern opak. Das Weiß der sandgestrahlten Flächen steht in Kontrast zu den kräftigen Farben, die üblicherweise die Schaufenster der Fußgängerzonen dominieren.
Eine über Eck gehende, nur durch eine Tür unterbrochene Schaufensterfront erhält von beiden Seiten in der Höhe von 1,20 m ein schmales Band. Die wie freihändig angebrachten Linien sind nicht genau deckungsgleich und betonen das Innen und Außen - also die Plastizität - der Glasscheibe, gleichzeitig wird die Präsentation der Waren in Oben und Unten gegliedert.
Die Schaufensterscheiben eines anderen Modegeschäfts sind Träger schlagwortartiger Begriffe, wie "Eine Million Mark", "lieblich", "Blutwurst", "Espana", "Gelbsucht" und "Gott", die in keinem Zusammenhang mit der angebotenen Ware stehen. Vielmehr erinnern sie an Werbebotschaften anderer Verkaufsbranchen. Sie symbolisieren aber auch Wortfetzen, die uns trotz der Reizüberflutung im Gedächtnis bleiben. Bei zwei kleineren Schaukästen ist der Eingriff ins Glas so groß, dass ihre ursprüngliche Zeige- bzw. Präsentationsfunktion aufgehoben ist. Der eine lässt bis auf zwei kleine Rechtecke im unteren Bereich keine Einblicke mehr zu. Dort sind Teile einer Leuchtstoffröhre zu erkennen, deren Licht den ganzen Schaukasten wie verschleiert wirken lässt. Beim anderen ist das Glas von beiden Seiten mit gegeneinander laufenden Spiralen gestaltet, die die Glasscheibe wellenartig bewegt erscheinen lassen.
János Sugár
Die Senkrechte von Heidenheim
ADITECH Flüssigkeitskristallanzeigen GmbH
János Sugár beschreibt sein Projekt als "die einfache Form eines vertikalen und horizontalen Elements, mit anderen Worten: eine Senkrechte." Die Senkrechte von Heidenheim besteht aus insgesamt fünf LCD-Leuchtanzeigen, die an verschiedenen Stellen in der Innenstadt installiert sind.
Die horizontale Ebene bezieht alle Heidenheimer Bürgerinnen und Bürger gleichermaßen in das Werk ein. Ihre Namen erlangen für einen Augenblick Publizität, indem sie auf vier LCD-Displays in Schaufenstern verschiedener Geschäfte Tag und Nacht in zufälliger Reihenfolge erscheinen. Durch die kurze und einheitliche Präsentation aller Namen bleibt der Einzelne dennoch in der Anonymität der Gemeinschaft.
Das vertikale Element dagegen stellt den Oberbürgermeister, als politischer Repräsentant der Stadt, in den Mittelpunkt. Auf einem weiteren LCD-Display hinter einem Fenster im 4. Stock des Rathauses können Botschaften gelesen werden, die ihm per SMS geschickt werden. Um den Text (max. 35 Zeichen) lesen zu können, muss der Betrachter durch ein auf dem Rathausplatz fest installiertes Fernglas schauen. So ist garantiert, dass die Nachricht bewusst und konzentriert wahrgenommen wird. Durch Handzettel mit dem Titel "Public SMS" wird dazu aufgefordert, direkt und anonym dem politischen Oberhaupt von Heidenheim die Meinung zu sagen. SMS-Nachrichten sind z. Z. wohl die modernste und beliebteste Form der elektronischen Kommunikation. Wenn sie aber wie hier im Rathaus als demokratisches Kommunikationsmittel eingesetzt werden, wird ein Problem offensichtlich, das auch die Massenmedien haben: Es ist in den meisten Fällen nur eine einseitige Kommunikation möglich. Da die Absender der SMS-Nachrichten bewusst anonym bleiben, kann der Empfänger naturgemäß auch nicht darauf antworten.